Transphobie: Woher das Problem radikaler Feministinnen mit den Transfrauen rührt

Auf dem Weg zu Emanzipation und Gleichheit, angeführt von einer Transfrau (DALL-E)
Auf dem Weg zu Emanzipation und Gleichheit, angeführt von einer Transfrau (DALL-E)

Die Deutsche Altfeministin und Vorzeige-Frau Alice Schwarzer ist bekannt für ihre kontroversen öffentlichen Rundumschläge gegen Transgender-Personen. Unter dem Vorwand eines »Trans-Trends« oder einer »Trans-Ideologie« bzw. der Gefahren, die sie darin erkenne, deckt sie Transgender-Personen mit allerlei unschmeichelhaften öffentlichen Auseinandersetzungen ein.

Anglistik-Tipp: Im englischen Sprachgebrauch wäre Alice Schwarzer übrigens der Inbegriff einer ‚vixen‘ im Sinne der streitfreudigen Frau (engl. ‚quarrelsome‘).

Hofiert von schummrigen Figuren aus dem Dunstkreis sogenannter »Putin-Versteher«, etwa der notorisch kurzsichtige Schweizer Rechtspopulist und Publizist Roger Köppel mit seinem Gefolge, hat Alice Schwarzer gut vernetzte rechte Plattformen, um ihre Rundumschläge zu verbreiten: »Der Mensch bleibt, auch wenn er Hormone nimmt, auch wenn frau die Brüste amputiert, die Genitalien verstümmelt, lebenslang biologisch weiblich oder männlich…«, wird sie etwa von Köppels »Weltwoche« zitiert (im Artikel »Schluss mit Frau und Mann: Basel-Stadt möchte die Geschlechterdefinition streichen« vom 15. April 2023 von Thomas Renggli).

Joanne Rowling: Keine Menstruation, keine Frau 

Auch die Britische Autorin und Vorzeige-Frau Joanne Rowling (J. K. Rowling) bekundete öffentlich Dünkel insbesondere gegenüber Transfrauen. Diese Dünkel manifestierten in der von ihr unwürdig öffentlich angestossenen Debatte um die Menstruation als Kennzeichen wahrer Weiblichkeit. Solche müsse Transfrauen also aufgrund des Mangels der Menstruation abgehen.

Dass es medizinische Situationen gibt, bei denen auch Cisgender-Frauen (dem Zielpublikum dieses Artikels angepasst im Weiteren »Bio-Frauen«) keine Menstruation haben (und teils nie hatten), scheint Rowling entgangen zu sein. Dass es Bio-Frauen gibt, die keinen Uterus haben, scheint ihr auch nicht präsent (Kunststück: Rowling ist ja auch Fantasy-Künstlerin, nicht Ärztin). Aber was solls, am Ende weisen Sie alle einfach auf die chromosomale Bestimmung des Geschlechts hin, nicht? 

Ach, was solls? Rowling sprach mit ihrem süffisanten Hinweis auf die Menstruation ja immerhin nicht nur Transfrauen jede Weiblichkeit ab, sondern auch allen anderen Frauen, die entweder keinen Uterus oder aus anderen Gründen keine oder eine unregelmäßige Menstruation haben. Das solls.

Ursprung des radikal-feministischen Gekeifes gegen Transfrauen

Woher kommt dieses Gekeife gegen Transgender-Personen und insbesondere gegen Transfrauen? Generell steckt meist ein Mangel an sexueller Befriedigung hinter solchen Dingen. Bei Frauen verortete Sigmund Freud auch einen »Penisneid«. Wie es da bei Rowling und Schwarzer aussieht, bleibe aber dahin gestellt. Viel wahrscheinlicher schiene nämlich, dass es Neid auf Fähigkeiten von Transfrauen und verletzter Stolz sein könnten, die radikale Feministinnen gegen Transfrauen so aufbringen.

Es sind interessanterweise gerade die radikalen Feministinnen, die am ehesten mal Transfrauen das Frausein absprechen. Es sind also jene Feministinnen, von denen auch anzunehmen wäre, dass sie sich am vehementesten emanzipieren, um möglichst weitgehendste Unabhängigkeit von Männern zu erlangen. Gerade in Bezug auf dieses Ziel ein jeder radikalen Feministin haben aber viele Transfrauen – so sehr sie aufgrund ihrer Chromosomen auch in unerwünschter Männlichkeit feststecken – psychologisch einiges voraus, und zwar aufgrund der bei ihnen versuchten männlichen Sozialisierung unter dem Einfluss von Testosteron.

Zur männlichen Sozialisierung gehört das Kämpfen, sich durchzusetzen, gehört zu werden, zu maken (statt zu baken), nicht zuletzt zu führen. Es sind Fertigkeiten, die noch mancher (Trans-)Frau gegen den Strich gehen oder zumindest nicht intuitiv verfügbar sein könnten. Gleichzeitig sind es Grundlagen der Emanzipation gegenüber Männern.

Der Neid radikaler Feministinnen als No-Brainer

Transfrauen, die unter dem Einfluss von Testosteron und versuchsweise als Männer sozialisiert worden sind, haben zwangsläufig ganz andere Konfliktverhaltensmuster erworben, ganz andere Strategien, sich im Leben durchzusetzen, als Bio-Frauen, von denen in der patriarchal getönten Gesellschaft viele von früh auf lernen, dem Manne untertan zu sein, sich zu ducken und brav zu dienen. Die Emanzipation und vielleicht auch der Kampf gegen das Patriarchat folgen bei Bio-Frauen später zu einem Zeitpunkt im Leben, zu dem Transfrauen aufgrund ihrer früheren männlichen Sozialisierung bereits über viele Strategien als Grundlage der Emanzipation verfügen: Dass gerade hier der Neid der radikalen Feministinnen durchschlagen muss, ist – ein No-Brainer.

Es ist die Bio-Frau, die sich gegenüber ihrem Patriarchat erst emanzipieren muss, nachdem sie durch ihre Sozialisierung als Frau zuvor Jahre lang dem Mann systematisch untertan gemacht worden war. Das kann gegenüber Transfrauen ja schon ein bisschen neidisch machen… Neid und, angesichts der eigenen Ohnmacht gegenüber dem Vorteil der Transfrauen, auch verletzter Stolz wären demnach plausible Erklärungen fürs Gekeife aus der Ecke der radikalen Feministinnen.

Die Aussage gewisser radikaler Feministinnen, Transfrauen seien keine Frauen sondern Männer, ist falsch. Richtig ist sicherlich die Feststellung, dass Transfrauen keine Bio-Frauen sind. Darum heißen sie ja auch Transgender-Frauen und nicht Cisgender-Frauen (oder »Bio-Frauen«). Dass einige radikale Feministinnen unablässig wiederholen, Transfrauen seien keine Frauen, ist wohl einfach auf die allzu menschliche Natur zurückzuführen, auf die eigene Unterlegenheit mit verletztem Stolz und Neid zu reagieren.

Was die Transfrau der Feministin im Kerngeschäft voraus hat

Ein Tipp noch zuletzt: Weibliche Emanzipation ist nicht einfach die Übernahme männlicher Verhaltensweisen, wie man sie leider, leider bei vielen anscheinend emanzipierten Frauen sieht. Oftmals spiegelt die unreflektierte Übernahme männlichen Fehlverhaltens durch Frauen tatsächlich nur missverstandene Emanzipation. Denn viele männliche Verhaltensweisen sind alles andere als nachahmenswert. Oder: Damit, sich die Leber wegzusaufen, etc., ist es nicht getan. Tatsächlich haben es demnach auch Transfrauen schwerer, echt weiblich emanzipiert zu sein, als es vielleicht scheinen mag angesichts ihrer männlichen Sozialisierung.

Doch wäre es schlicht dumm, würden Transfrauen wertvolle Strategien, die sie ihrer versuchsweisen Sozialisierung zum Mann verdanken, einfach ablegen, nur weil sie einer männlichen Sozialisierung entstammen. Auch dies ein No-Brainer: Wenn Strategien helfen, sich durchzusetzen, nicht zuletzt sich gegenüber Männern durchzusetzen, dann sollte Frau darauf zurück greifen. Feministinnen könnten gerade da viel von Transfrauen lernen. Und gerade da drückt doch der Schuh: beim Eingeständnis, dass die Transfrau der Feministin sozusagen im Kerngeschäft etwas voraus hat.

Um diese Nasenlänge, um die die Transfrau der Feministin als Frau und darüber hinaus erst noch sozusagen von Haus aus voraus ist, nicht anerkennen zu müssen und stattdessen weiterhin zu verdrängen, bietet sich als No-Brainer-Lösung eigentlich nur, der Transfrau das Frausein abzusprechen, um sich im Kerngeschäft des Feminismus nicht mit ihr auseinanderzusetzen und vergleichen zu müssen. 

Schweiz: Transphobie als Motiv der Medien?

Transgender-Medizin als  »No-Brainer«

Seit zwei Jahrzehnten ist die Rede von »Mainstream«-Medien. Darauf folgte die Diskussion über »Fake News«. Von allen Seiten hagelt es Kritik an der Qualität der Medien, in allen westlichen Ländern. Es folgt  »Transgender« als No-Brainer der Medien. 

Selektive Berichterstattung, Medien-»Blackouts«, »Infotainment«, politische Färbung der Berichte bis hin zu »Propaganda« lauten die Vorwürfe. In der Schweiz wurde zudem im grössten Medienhaus Tamedia AG (heute TX Group) seitens der Belegschaft selbst Sexismus beklagt. Vor rund fünf Jahren gewann der Begriff der »Fake News« international Popularität. 💩 

Schweizer Medien: Augenmerk auf  »Detransitionen« 

In der Berichterstattung über

  • die Diagnose »Gender Dysphorie«, welche mit Inkrafttreten des ICD-11 im Jahr 2022 den bisherigen diagnostischen Begriff der
    »Transsexualität« ablöste,
  • betroffene Transgender-Personen

richten Schweizer Medien ihr Augenmerk vermehrt auf »Detransitionen«. So berichtete unlängst das staatliche Schweizer Fernsehen SRF über Kritik eines Elternvereins an einer Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie im Schweizer Kanton Zürich, an der geschlechtsangleichende Behandlungen geführt werden: Vier Jugendliche waren aus der Behandlung ausgestiegen. Ihr Ausstieg führte zur Vermutung vorschneller Diagnosestellung beziehungsweise von Fehldiagnosen. Eine Beschwerde der Eltern bei der Gesundheitsbehörde war Basis der Fernsehreportage. In der Folge übernahmen auch Zürcher Tageszeitungen die Geschichte. Bekannt sind auch  Berichte der rechtskonservativen »Neuen Zürcher Zeitung« über den »Trans-Trend«, die traditionell »Detransitionen« beklagen.

Kurz: Die Schweizer Medien haben sich auf »Fehldiagnosen« der Transgender-Medizin eingeschossen, die sie dem Publikum emotional ansprechend anhand von Beispielen etwa aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie und mit Geschichten über Detransitionen plastisch vor Augen führen. Daran wäre ja nichts auszusetzen, wenn nicht…

Psychiatriekritik ausgestorben? 

Bis in die 80er Jahre berichteten einzelne Schweizer Medien immer wieder kritisch über die Psychiatrie. In den 90er Jahren kamen psychiatriekritische Berichte aus der Mode. Seit der Jahrtausendwende warten wir vergeblich auf eine Rückkehr der kritischen Auseinandersetzung mit Psychiatrie. Es ist kaum Zufall, dass ungefähr um die Jahrtausendwende auch der Begriff der »Mainstream«-Medien auftauchte – und sich seither hartnäckig hält. Denn diese sind fest in der Hand einer anpasserischen, duckmäuserischen sogenannten »Elite«, der es um Gewinne und Prestige geht. Einer  »Elite«, der es nicht um die Presse als »public watchdog« geht. Kritik an den Mächtigen ist von Mainstream-Journos nicht zu erwarten. Damit wurde Psychiatriekritik aus dem Pflichtenheft der Medien gestrichen. Sie blieb stumm bis zu ihrem Revival in den letzten Jahren. In Form von Kritik an Fehldiagnosen der Transgender-Medizin – letztlich einfach als Variante des Transgender-Bashings – ist sie von den Toten auferstanden.

Zusammengefasst: Nachdem kritische Medienberichte über Psychiatrie und Psychotherapie rund 30 Jahre lang so gut wie ausgestorben waren, feiern sie ihr Comeback mit Berichten über Fehldiagnosen der Transgender-Medizin. Die Mainstream-Journos sehen bei der Psychiatrie also seit Jahrzehnten weg, ausgenommen natürlich seit ein paar Jahren bei der Gender Dysphorie. Damit könnten sie ihre Transphobie als Motiv nicht deutlicher entlarven. Beinah.

Aktuell reizt die Hatz auf progressive Ansätze 

Vorsicht, beinah. Denn eine weitere Ausnahme gibt es: Tatsächlich scheinen die Schweizer Medien aktuell Jagd auf progressive Ansätze in der Psychiatrie zu machen. So wurden ausser der psychiatrischen Diagnostik der Transgender-Medizin, die in den Medien aktuell regelmässig kritisiert wird, in den vergangenen Jahren noch andere Vertreter:innen progressiver therapeutischer Schulen von Schweizer Medien durch den Kakao gezogen, etwa Therapeut:innen aus dem Umfeld der Ärztegesellschaft »Avanti«, deren Gründer im Bereich der psychiatrischen Forschung unter anderem etwa Beiträge zur psycholytischen Therapie leistete, die auch international Beachtung finden. Deren frivole Therapie-und Wohngruppe »Zur Kirschblüte« ist jedoch nicht transinklusiv ausgelegt.

Es ist nicht nur Transphobie, die Schweizer Journos als ihr Motiv entlarven. Es ist eine anscheinend tiefer sitzende Missachtung, vielleicht sogar Verachtung humanistischer und progressiver Ansätze, die den heutigen Schweizer Mainstream-Journo – und nicht nur diesen – an- und umtreibt.

Transgender-Medizin als  »No-Brainer« 

Dass die Gesundheitskosten in der Schweiz deshalb explodieren, weil unnötige Behandlungen unnötige Kosten verursachen, ist ein sogenannter
»No-Brainer«. Doch interessieren sich die Medien nicht allgemein für Fehldiagnosen, die dem Gesundheitswesen unnötige Behandlungskosten verursachen. Sie schiessen sich lieber auf »Detransitionen« in der Transgender-Medizin ein. Andere Probleme und Fehlbehandlungen in der Transgender-Medizin, über die es auch zu berichten gäbe, interessieren nicht. Dazu herrscht Funkstille. Auch die gesellschaftliche Diskriminierung von Transgender-Personen interessiert nicht. Diese Probleme werden systematisch totgeschwiegen. Die Schweizer Mainstream-Medien interessieren sich in verschiedenster Hinsicht schlicht nicht für ihre Aufgabe als »public watchdog« (aber eigentlich ist auch dies ein »No-Brainer«, sprechen wir ja nicht umsonst schon lange von  Mainstream-Medien und Fake News). 

Apropos No-Brainer: Dass mit einer Zunahme der Anzahl medizinischer Transgender-Behandlungen bei konstantem prozentualem Anteil an Patient:innen, die eine Behandlung wieder abbrechen, die Gesamtzahl an »Detransitionen« proportional zur Gesamtzahl der Behandlungen zunimmt, wäre eine einfache Prozentrechnung – oder Transgender-Medizin als  No-Brainer.