Schweiz: Transphobie als Motiv der Medien?

Transgender-Medizin als  »No-Brainer«

Seit zwei Jahrzehnten ist die Rede von »Mainstream«-Medien. Darauf folgte die Diskussion über »Fake News«. Von allen Seiten hagelt es Kritik an der Qualität der Medien, in allen westlichen Ländern. Es folgt  »Transgender« als No-Brainer der Medien. 

Selektive Berichterstattung, Medien-»Blackouts«, »Infotainment«, politische Färbung der Berichte bis hin zu »Propaganda« lauten die Vorwürfe. In der Schweiz wurde zudem im grössten Medienhaus Tamedia AG (heute TX Group) seitens der Belegschaft selbst Sexismus beklagt. Vor rund fünf Jahren gewann der Begriff der »Fake News« international Popularität. 💩 

Schweizer Medien: Augenmerk auf  »Detransitionen« 

In der Berichterstattung über

  • die Diagnose »Gender Dysphorie«, welche mit Inkrafttreten des ICD-11 im Jahr 2022 den bisherigen diagnostischen Begriff der
    »Transsexualität« ablöste,
  • betroffene Transgender-Personen

richten Schweizer Medien ihr Augenmerk vermehrt auf »Detransitionen«. So berichtete unlängst das staatliche Schweizer Fernsehen SRF über Kritik eines Elternvereins an einer Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie im Schweizer Kanton Zürich, an der geschlechtsangleichende Behandlungen geführt werden: Vier Jugendliche waren aus der Behandlung ausgestiegen. Ihr Ausstieg führte zur Vermutung vorschneller Diagnosestellung beziehungsweise von Fehldiagnosen. Eine Beschwerde der Eltern bei der Gesundheitsbehörde war Basis der Fernsehreportage. In der Folge übernahmen auch Zürcher Tageszeitungen die Geschichte. Bekannt sind auch  Berichte der rechtskonservativen »Neuen Zürcher Zeitung« über den »Trans-Trend«, die traditionell »Detransitionen« beklagen.

Kurz: Die Schweizer Medien haben sich auf »Fehldiagnosen« der Transgender-Medizin eingeschossen, die sie dem Publikum emotional ansprechend anhand von Beispielen etwa aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie und mit Geschichten über Detransitionen plastisch vor Augen führen. Daran wäre ja nichts auszusetzen, wenn nicht…

Psychiatriekritik ausgestorben? 

Bis in die 80er Jahre berichteten einzelne Schweizer Medien immer wieder kritisch über die Psychiatrie. In den 90er Jahren kamen psychiatriekritische Berichte aus der Mode. Seit der Jahrtausendwende warten wir vergeblich auf eine Rückkehr der kritischen Auseinandersetzung mit Psychiatrie. Es ist kaum Zufall, dass ungefähr um die Jahrtausendwende auch der Begriff der »Mainstream«-Medien auftauchte – und sich seither hartnäckig hält. Denn diese sind fest in der Hand einer anpasserischen, duckmäuserischen sogenannten »Elite«, der es um Gewinne und Prestige geht. Einer  »Elite«, der es nicht um die Presse als »public watchdog« geht. Kritik an den Mächtigen ist von Mainstream-Journos nicht zu erwarten. Damit wurde Psychiatriekritik aus dem Pflichtenheft der Medien gestrichen. Sie blieb stumm bis zu ihrem Revival in den letzten Jahren. In Form von Kritik an Fehldiagnosen der Transgender-Medizin – letztlich einfach als Variante des Transgender-Bashings – ist sie von den Toten auferstanden.

Zusammengefasst: Nachdem kritische Medienberichte über Psychiatrie und Psychotherapie rund 30 Jahre lang so gut wie ausgestorben waren, feiern sie ihr Comeback mit Berichten über Fehldiagnosen der Transgender-Medizin. Die Mainstream-Journos sehen bei der Psychiatrie also seit Jahrzehnten weg, ausgenommen natürlich seit ein paar Jahren bei der Gender Dysphorie. Damit könnten sie ihre Transphobie als Motiv nicht deutlicher entlarven. Beinah.

Aktuell reizt die Hatz auf progressive Ansätze 

Vorsicht, beinah. Denn eine weitere Ausnahme gibt es: Tatsächlich scheinen die Schweizer Medien aktuell Jagd auf progressive Ansätze in der Psychiatrie zu machen. So wurden ausser der psychiatrischen Diagnostik der Transgender-Medizin, die in den Medien aktuell regelmässig kritisiert wird, in den vergangenen Jahren noch andere Vertreter:innen progressiver therapeutischer Schulen von Schweizer Medien durch den Kakao gezogen, etwa Therapeut:innen aus dem Umfeld der Ärztegesellschaft »Avanti«, deren Gründer im Bereich der psychiatrischen Forschung unter anderem etwa Beiträge zur psycholytischen Therapie leistete, die auch international Beachtung finden. Deren frivole Therapie-und Wohngruppe »Zur Kirschblüte« ist jedoch nicht transinklusiv ausgelegt.

Es ist nicht nur Transphobie, die Schweizer Journos als ihr Motiv entlarven. Es ist eine anscheinend tiefer sitzende Missachtung, vielleicht sogar Verachtung humanistischer und progressiver Ansätze, die den heutigen Schweizer Mainstream-Journo – und nicht nur diesen – an- und umtreibt.

Transgender-Medizin als  »No-Brainer« 

Dass die Gesundheitskosten in der Schweiz deshalb explodieren, weil unnötige Behandlungen unnötige Kosten verursachen, ist ein sogenannter
»No-Brainer«. Doch interessieren sich die Medien nicht allgemein für Fehldiagnosen, die dem Gesundheitswesen unnötige Behandlungskosten verursachen. Sie schiessen sich lieber auf »Detransitionen« in der Transgender-Medizin ein. Andere Probleme und Fehlbehandlungen in der Transgender-Medizin, über die es auch zu berichten gäbe, interessieren nicht. Dazu herrscht Funkstille. Auch die gesellschaftliche Diskriminierung von Transgender-Personen interessiert nicht. Diese Probleme werden systematisch totgeschwiegen. Die Schweizer Mainstream-Medien interessieren sich in verschiedenster Hinsicht schlicht nicht für ihre Aufgabe als »public watchdog« (aber eigentlich ist auch dies ein »No-Brainer«, sprechen wir ja nicht umsonst schon lange von  Mainstream-Medien und Fake News). 

Apropos No-Brainer: Dass mit einer Zunahme der Anzahl medizinischer Transgender-Behandlungen bei konstantem prozentualem Anteil an Patient:innen, die eine Behandlung wieder abbrechen, die Gesamtzahl an »Detransitionen« proportional zur Gesamtzahl der Behandlungen zunimmt, wäre eine einfache Prozentrechnung – oder Transgender-Medizin als  No-Brainer.