Schweiz: Transgender-Personen als Spielball der Medien

Zum  »Fall KJPP«
Das Schweizer Fernsehen SRF berichtete am 17. Januar 2024 über die Beschwerde eines Genfer Elternvereins gegen die (staatliche) Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Kantons Zürich (KJPP).
Als Empfängerin der Beschwerde firmiert die Zürcher Gesundheitsdirektion unter SVP*-Regierungsrätin Nathalie Strickli. Deren schriftliche Stellungnahme wurde vom Schweizer Fernsehen abgedruckt. Zu Wort kommt im Beitrag des staatlichen Senders auch Dagmar Pauli, verantwortliche Ärztin der kritisierten KJPP. Es wird auf den Bericht des Schweizer Fernsehens verwiesen.

 

Festzustellen ist, dass der Verein gegenüber der KJPP und der Gesundheitsdirektion ein berechtigtes Anliegen vertritt: Der Sache nach werden Qualität und Professionalität in der Transgender-Medizin verlangt.
  • Ein Blick auf die Website des Vereins zeigt, dass er für Kinder und Jugendliche jedoch zudem prononciert eine »Alternative« zur geschlechtsangleichenden Behandlung der »Gender Dysphorie« (ehemals »Transsexualität«) fordert.  Transidentität per se sei nicht Thema des Vereins.
  • Ein Blick auf die Website des Schweizer Fernsehens zeigt sodann, dass dieses dem Thema »Trans Jugendliche« seit geraumer Zeit sehr regelmäßig Berichte widmet.
Die Sau wird – gutschweizerisch – durchs Dorf gejagt

 

Das Thema  »Trans« wird von den Schweizer Medien seit gut einer halben Dekade regelmäßig aufgekocht. Man könnte wohl sagen: die Sau wird durchs Dorf gejagt. Ein Blick in die grösseren Schweizer Tageszeitungen – die rechtsgerichtete »Neue Zürcher Zeitung« (NZZ) sowie die diversen bürgerlichen Tageszeitungen der TX Group (vormals »Tamedia AG«) zeigt, dass das Thema »Trans*« in regelmässigen Abständen präsent ist. Auf der Agenda der NZZ steht zur Hauptsache der »Trans-Trend«.

Zusammen gefasst lässt sich sagen, dass die Schweizer Journos seit gut einem halben Jahrzehnt das Thema Trans* aktiv bewirtschaften und damit eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Transidentität angestossen haben. Eine solche ist tatsächlich auch erforderlich, um Transgender-Personen gesellschaftlich besser zu akzeptieren und integrieren.

Anstand gefordert 
Damit ein öffentlicher Diskurs auch gelingt, wäre vorauszusetzen, dass die Diskussion inklusiv und integrativ, also konstruktiv geführt wird. Dies wiederum würde eine gewisse Gesprächskultur – und Anstand – voraussetzen, welche die Schweizer Gesellschaft aktuell leider nicht mehr in genügendem Mass aufweist: Nicht nur der Politik geht sie ab. Leider ist auch auf Seiten der Vertretungen der Trans Community ein Extremismus auszumachen.
Dieser Extremismus veranlasste unlängst zum Beispiel den Britischen Premier Rishi Sunak, »Mobbing« (engl. ‚bullying‘) durch Transaktivist:innen zu beklagen und öffentlich zu versichern, sich nicht mobben zu lassen. Dieses Problem lässt sich allerdings relativ klar eingrenzen: es sind sogenannte »Woke«-Ideolog:innen, die hier die Strippen ziehen. Die von den Medien angestossene Diskussion zum Thema Transidentität droht in einem solch ideologisierten und verhärteten Klima (»Newspeak«, Denkverbote, Sprechverbote, etc.) Ablehnung zu schüren, abzustürzen und, seitens Medien wohl unbeabsichtigt, zu einer Stigmatisierungs-Welle zum Nachteil aller Transmenschen zu verkommen.

 

Einseitigkeit der Berichterstattung

Mit den regelmässigen Berichten der Medien über den Ausstieg von Trans-Patient:innen aus einer Transition, den man auch als »Detransition« bezeichnet, zeichnen sie ein Bild von häufigen Fehldiagnosen der Transgender-Medizin. Das auch ist der Vorwurf an Dagmar Pauli: vorschnelle, aktivistische Diagnosen.
Die Medien zeichnen gerne das Bild von grassierendem Aktivismus und »Woke«-Ideologie, welche die wissenschaftliche Herangehensweise in der Transgender-Medizin behinderten oder gar verdrängten. Pikant ist bezüglich Transgender-Medizin – und allem voran an der Politik der Schweizer Journos – jedoch die Einseitigkeit der Berichterstattung:
  • Detransitioniert mal wieder jemand (sry, »jemensch«), geht das Geschrei los.
  • Aber von all den anderen, teils eklatanten Problemen, die Trans-Patient:innen im Gesundheitssystem der Schweiz oder direkt in ihrer Behandlung erleben, wollen SchweizerJournos nichts wissen.
  • Und von den Diskriminierungs-Problemen reden wir gar nicht erst.

Es liegt uns ein Email der NZZ vor, in der eine Redakteurin als Antwort betreffend Missstände bei Gesundheitsdienstleistern im Schweizer Kanton Zürich sinngemäss mitteilt, die Qualität der Schweizer Trans-Medizin sei nicht auf ihrer Agenda.

Immerhin eine Antwort. Trotzdem erweisen sich Transgender-Personen als Spielball der Medien. Sie werden genau dann zum Thema, wenn es den Journos in die Agenda passt. Und im Moment scheint das genau dann, wenn sich mit einer Story die Darstellung einer aktivistischen Trans-Medizin, die serienweise Fehldiagnosen stelle, zementieren lässt. Probleme hingegen, die Patient:innen teils gerade deshalb treffen, weil das exquisite medizinische Establishment den Bereich der Transgender-Medizin seit jeher marginalisierte (wer von denen will denn schon im Geruch einer Verbindung zur Transsexualität stehen!?), solche Probleme halten Schweizer Journos natürlich geflissentlich unter dem Deckel. Man will ja das medizinische Establishment nicht bloss stellen. Und was die durch alltägliche Diskriminierung und teils auch transphobe Diffamierung verursachten Probleme angeht, herrscht bei den Schweizer Medien komplett Funkstille. Was soll man dazu sagen?

Was soll man dazu sagen? 

Der einzige Grund, aus dem Menschen in der Schweiz, die eine Wahl zu transitionieren haben oder nicht, zu empfehlen wäre, nicht zu transitionieren, ist die für Transmenschen in der Schweiz akut bestehende gesellschaftliche Diskriminierungssituation (Berichte folgen auf diesem Blog; es lässt sich guten Gewissens sagen, dass Menschenrechte von Transgender-Personen in der Schweiz regelmässig und systematisch missachtet werden). Allenfalls sprächen noch Defizite der Qualität der Transgender-Medizin, wie sie im Schweizer Kanton Zürich festzustellen waren (Berichte folgen auf diesem Blog), gegen eine dortige Behandlung. Doch kann es keine Lösung sein, sich unbotmässigem Druck und den Aggressionen des Schweizerischen Spiessbürgertums zu beugen und auf eine benötigte medizinische Behandlung zu verzichten.

Wer transitioniert, muss sich jedoch auf einen Krieg einstellen: Auf einen asymmetrischen, verdeckten Krieg des Spiessbürgertums gegen Transmenschen (und Angehörige anderer gesellschaftlicher Minderheiten). Transphobe Attacken lauern überall. Wer transitioniert, sollte gefeit sein.

Wer Krieg will, soll Krieg haben

Zurückschlagen ist eine Option (wer Krieg will, soll Krieg haben). Wer Transmenschen das Leben schwer macht, soll(te) dafür strafrechtlich belangt werden. Wenn aber die Mehrheit der Bevölkerung einverstanden ist mit dem Terror, dem Transmenschen ausgesetzt werden, wenn Parlamente wie das Schweizerische Gesetze zum Schutz von Transmenschen vor Diskriminierung ablehnen, um der Diskriminierung von Transgender-Personen weiterhin Tür und Tor offen zu halten, macht der politische Dialog keinen Sinn. Wenn Polizei und Staatsanwält:innen oder gar Gerichte eher als Teil des Diskriminierungs-Problems wirken statt Teil der Lösung zu sein, wenn sie die Menschenrechte von Transgender-Personen mit Füssen treten, dann bringt es auch nichts, sich auf dem Rechtsweg zu wehren. Betroffene sind nichtsdestotrotz berechtigt (und hiermit auch angeregt), Widerstand zu leisten. Meinungsfreiheit ist nicht die Freiheit, eine ganze Bevölkerungsgruppe zu Diffamieren und Diskriminieren, um wie viele Ecken herum formuliert die Diskreditierung auch daher kommen mag.



Vereinigtes Königreich: Rückwärts

Es gibt also eine neue Diskussion über „Biologie“, sagen Sie? „Ein Mann ist ein Mann, und eine Frau ist eine Frau, das ist nur selbstverständlich“, wie der Britische Premier Rishi Sunak in einer wütenden Rede spieh?

Im Kontext des Parteitags der Tories im Jahr 2023 beklagt die britische Konservative Partei die „Leugnung der Biologie“ in der „wissenschaftlichen Forschung“.

Ähnlich kritisiert im Vorfeld der Schweizer Nationalwahlen 2023 die rechtsgerichtete Schweizerische Volkspartei—bekannt für ihre kontroversen und polarisierenden Positionen—eine „Auslöschung von Wahrheiten wie die biologische Tatsache der Geschlechter“.

Obwohl keine der beiden Parteien weitere Details liefert, scheinen sich ihre Behauptungen auf die medizinische Diagnose der Geschlechtsdysphorie zu beziehen (als 302.85 im DSM-5 von 2013 kodiert und als HA60 im ICD-11 ab 2021). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie sich auf etwas anderes beziehen würden.

Die Aussagen beider Parteien lassen Raum für Interpretation, aber man würde sie in erster Linie mit dem Phänomen in Verbindung bringen, das derzeit als Geschlechtsdysphorie bekannt ist. Die ursprüngliche Diagnose wurde im DSM-3 ab 1980 und im ICD-10 ab 1992 als „Transsexualität“ bezeichnet.

Interessanterweise wurde die Diagnose bereits 1977 im ICD-9 anerkannt. Es bleibt unklar, warum eine umstrittene, mehr politische als wissenschaftliche, öffentliche Debatte über transsexuelle und Transgender-Personen erst rund 50 Jahre nach der ersten medizinischen Anerkennung ausbricht. Manche Menschen scheinen rückwärts statt vorwärts zu schauen. Darüber hinaus war dieses Phänomen schon lange vor seiner offiziellen medizinischen Anerkennung bekannt.


moi (übersetzt von GPT-4).

Schweizer Ärzteorganisation «FMH»: (k)ein Problem mit Transmenschen

Die schweizerische Ärztevereinigung FMH arbeitet daran, spezifische Probleme bei der medizinischen Behandlung von Transpersonen anzusprechen. Yves Zenger aus der Abteilung für Politik und Kommunikation der FMH wies auf Artikel in der Schweizerischen Ärztezeitung hin, die die Notwendigkeit spezialisierter Sprechstunden und die Integration von Wissen über Geschlechtsidentität in die medizinische Ausbildung hervorheben. Ein transsexuelles Individuum, identifiziert mit den Initialen A.S., stand jedoch vor einem unangebrachten Geschlechtszuweisungsproblem von der Basisorganisation der FMH, VSAO. Trotz der Nichtangabe von geschlechtsspezifischen Informationen wurde A.S. von einer VSAO-Vertreterin mit einer männlichen Anrede angesprochen. Dieser Vorfall zeigt die Herausforderungen, denen die FMH in ihrem Umgang mit Transpersonen gegenübersteht. Es stellt sich die Frage, wie andere nationale Ärzteorganisationen in Europa in dieser Hinsicht vielleicht besser abschneiden könnten.

Die Berufsorganisation «FMH» der Schweizer Ärzteschaft scheint bemüht, spezifische Probleme in der medizinischen Behandlung von Transpersonen zu adressieren. So teilte Yves Zenger von der Abteilung Politik und Kommunikation der FMH am 23. Mai 2023 auf Anfrage vom 22. Mai mit:

«Bezüglich der speziellen Bedürfnisse von Transmenschen weisen wir auf zwei Artikel in der Schweizerischen Ärztezeitung hin:

Schweizerische Ärztezeitung – Transmenschen brauchen ihren Platz im Gesundheitswesen (saez.ch)

Schweizerische Ärztezeitung – Der schwierige Weg zu sich selbst (saez.ch)

Wichtig sind sicher die Spezialsprechstunden, und angesichts der gesellschaftlichen Sensibilisierung im Hinblick auf die Geschlechtsidentität auch die Integration des medizinischen Wissens dazu in Aus-, Weiter- und Fortbildungen der entsprechenden Fachdisziplinen, sowie die Verweise auf allgemein zugängliche Plattformen und Informationsstellen wie … .»

A.B. (Initialen geändert), die sich mit Anfrage vom 18. Mai 2023 betreffend eine laut zwei FMH-Fachärzten problematische medizinische Behandlung bei der FMH-Basisorganisation „VSAO“ für Assistenz- und Oberärzte über Beschwerdemöglichkeiten erkundigte hatte, erhielt derweil von deren juristischen Sekretärin und stellvertretenden Geschäftsführerin, Yvonne Stadler, am 24. Mai eine Antwort mit der falschen Anrede als «Herr» («sehr geehrter Herr… »):

«Ausser dass ich mit Diagnose HA60 ICD-11 (Gender Dysphorie) trans-medizinisch behandelt wurde, habe ich in meiner Anfrage keine Angaben zur Transition gemacht. Die Angaben zur Behandlung enthielten keine Informationen, die auf mein Geschlecht schliessen liessen. Der einzige Anhaltspunkt für mein Geschlecht, den die Empfängerin der Anfrage hatte, war mein Vornamen. Dieser ist ein rein weiblicher Vornamen, den es in männlicher Form, wie etwa ‚Paul‘ zu ‚Pauline‘, nicht einmal gibt. Wie in aller Welt Yvonne Stadler auf die Idee kam, mich mit ’sehr geehrter Herr …‘ zu adressieren, dürfte sie selber am besten wissen. Ihr Lapsus zeigt jedoch deutlich den Entwicklungsstand auf, der FMH-intern im Umgang mit Transmenschen besteht.»

Es gibt wohl einige Länder in Europa, deren grössten nationalen Ärzteorganisationen solche Fehler nicht (mehr) unterliefen.