Die Qualität der Psychotherapie ist von beiden Seiten abhängig
Die Qualität jeder Therapie steht und fällt zunächst mit der Therapieperson. Dabei spielen nicht nur ihr Fachwissen, ihre Qualifikation und Erfahrung eine Rolle. Auch Gesundheit, Alter und andere zwischenmenschliche Faktoren einer Therapieperson können die Qualität der Therapie beeinflussen. Die Qualität einer Psychotherapie reagiert dabei besonders empfindlich auf die Qualität der Interaktion zwischen dir und der Therapieperson, die wiederum von individuellen Parametern beider Seiten abhängig ist.
Weder jede Form von Psychotherapie noch jede psychologische Schule eignet sich gleich für alle Patientinen und psychotheapeutischen Problemstellungen.
Generell gilt, dass nicht jede Konstellation von Therapieperson und Patient:in gleich gut funktioniert. Manchmal empfiehlt es sich, dass Patient:innen zunächst verschiedene Therapieplätze, Therapieformen und Therapiepersonen ausprobieren, um für ihre (langfristige) Psychotherapie das bestmögliche Resultat erzielen zu können.
Es sollte dazu möglich sein, unbeschwert einen Therapieplatz zu wechseln und auch zu einem ehemaligen Therapieplatz zurückzukehren, bestenfalls sogar zwischen Therapieplätzen und -personen hin und her zu wechseln. Die dazu erforderliche Flexibilität dürfte in der Praxis allerdings oft an der Auslastung der Therapieplätze und teils auch an der Eitelkeit der Therapiepersonen scheitern.
Transpersonen empfiehlt es sich, sich in ihrer lokalen Community umzuhören und die Meinungen anderer Patient:innen zu den verfügbaren Therapiepersonen und -plätzen einzuholen, ehe sie eine psychotherapeutische Behandlung aufnehmen. Von einer therapeutischen Fahrt ins Blaue mit einer:einem Therapeut:in, die keine Erfahrung mit Gender Dysphorie hat, ist auf jeden Fall abzuraten.
In der Regel fruchtet es nichts, die Fragen nach optimaler Therapieform und bestem Therapieplatz mit deiner:deinem aktuellen Psychotherapeut:in zu besprechen, da diese:r zu dieser Frage meist ihre:seine eigenen Interessen vertreten wird bzw. von ihrer:seiner Methode so überzeugt ist, dass für dich eine andere Methode und ein:e andere:r Therapeut:in gar nicht erst in Frage kommen kann. Hausärzte können diese Fragen meist auch nicht beantworten, da ihnen die zur Beurteilung dieser Fragen erforderlichen Kentnisse fehlen.
Fazit: Es kann sein, dass sich Einsichten, welche Therapieformen, welche therapeutischen Schulen und welche Therapiepersonen dir das beste Behandlungsergebnis nicht nur versprechen, sondern auch wirklich liefern, erst im Laufe einer oder mehrerer Psychotherapien ergeben. Gut Ding will Weile haben. Hier sind Geduld und Experimentierfreudigkeit sicher nicht die falschen Ratgeber.
Warnung: Ganz allgemein müssen zu psychotherapeutischen Behandlungen auch Warnungen ausgesprochen werden. Zum einen ist es sicher nicht unangebracht, auf die Geschichte der Psychiatrie im 20. Jahrhundert hinzuweisen, die hinlänglich dokumentiert und bekannt ist und beispielsweise durch den Film "Sucker Punch" (2011) eindrücklich fiktiv dargestellt wird. Im Licht dieser unrühmlichen Geschichte ist an dieser Stelle einmal mehr zu fragen, warum dazu von den Fachpersonen Psychiatrie der Gegenwart keine eindeutigen, unmissverständlichen Stellungnahmen zu vernehmen sind. Scheut man die nötige Auseinandersetzung mit der Geschichte? Oder scheut man die Stellungnahme dazu? Zum anderen ist es systembedingt unvermeidlich, dass auch unter den gegenwärtig praktizierenden Psychotherapeut:innen für den Beruf grundsätzlich ungeeignete Personen ein Fachdiplom bestanden und dazu die erforderliche Praxisbewilligung erworben haben. Patient:innen tun gut daran, eine unglücklich verlaufende Therapie vorsorglich abzubrechen, wenn sie eine Verschlechterung ihres Zustands feststellen oder sich ihr Zustand nicht verbessert. In solchen Fällen ist immer ein Wechsel des Therapieplatzes angezeigt, und zwar je schneller, desto besser.